Das Erste, was ein Reisender von einem Bahnhof erblickt, ist das Empfangsgebäude. Es ist
also die Visitenkarte der Bahngesellschaft. Viele Empfangsgebäude stammen noch aus der
Pionierzeit der Bahn. Sie waren das Aushängeschild der Bahngesellschaft.
Empfangsgebäude 1835 bis 1850
In dieser Epoche orientierte man sich an
den an den bereits existierenden Post-,
Pack- und Gasthöfen, die schon von
Pferden gezogene Eisenbahnen betrieben.
Dort waren Wohnungen, Magazine für den
Warenverkehr und Stallungen zur
Unterbringung der Tiere vorhanden. Der
Baustil entsprach bäuerlichen Gehöften
oder bürgerlich kleinstädtischen Gebauten.
In den großen Städten wurden repräsentative Hochbauten in zeitgemäßer Bauweise
(historisch) mit ingenieurmäßig konstruierten Bahnhofshallen verbunden. “Bahn
Höfe” waren immer eine geschlossene Hofanlage. Die Eisenbahningenieure Köhler und Poetzsch waren die Ersten, die Bahnhöfe “aus
einem Guss” planen ließen. Das verlieh vielen Eisenbahnstrecken eine charakteristische Note.
Der Baustil der Empfangsgebäude dieser Zeit war klassizistisch bis spät klassizistisch, der sich durch schlichte, edle Formen
widerspiegelt. Der Klassizismus orientierte sich an der griechischen oder römischen Architektur. Die seit 1840 verfügbare billige
Dachpappe konnte als Deckungsmaterial für die noch hölzernen Bahnsteighallen verwendet werden. Es entwickelte sich in dieser Zeit
auch der Rundbogenstil, in dem die meisten kleinen und mittleren Stationsgebäude entstanden.
Empfangsgebäude 1850 bis 1900
Es ist die Zeit in der sich die “industrielle Revolution” stürmisch beschleunigt.
Holzbauten wichen den modernen Bahnsteighallen aus Stahl und ermöglichten
Spannweiten von bisher nicht gekannter Größe. Die spät klassizistische Architektur
verlor sich mehr und mehr. Die Zeit des Historismus beginnt. Der Historismus
vereinigt alle Baustile von der Romantik bis zum Klassizismus. Im Grunde war alles
uneinheitlich. Jede historische Form wurde abgewandelt und in die aktuelle
Architektur eingebracht. Eine wichtige Bauform jener Zeit war der
Rundbogenstil, der gegen Ende der 1830er Jahre besonders bei Bahnhofsbauten
angewandt wurde. Empfangsgebäude mussten aber auch den technischen
Gegebenheiten entsprechen. Eine dieser Neuerungen, die erst durch die Eisenbahn
entstanden ist, war die Bahnsteighalle. Eine Halle geformt aus Stahl und Glas war
bis dahin völlig unbekannt. Bahnhöfe wurden zu den "Kathedralen der Technik".
Jeder Bahnhof hatte eine Anzahl von Diensträumen für das Bahnpersonal, die zum Teil auch im Empfangsgebäude wohnten. Wo mit
dem regelmäßigen Empfang von Fürsten oder des Kaisers gerechnet werden musste, wurden spezielle Räume für die "hohen
Herrschaften" vorgesehen. In Residenz Städten gab es für die Gäste und den Landesherren teilweise eigene Stationen.
Jede Region hatte ihre typischen Baustile. Preußische Gebäude unterschieden sich von denen in Bayern und diese wieder von denen
im Harz. Die ersten Bahnstationen wurden im nachklassizistischen Rundbogenstil gebaut. Später folgten Spätklassizismus gemischt
mit Formen der Renaissance, Gotik und Barock. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelte sich immer mehr eine eigene
Bahnhofsarchitektur. Neben der Bahnhofsuhr als eindeutigem Erkennungsmerkmal wurden Türme, Vorhallen und Triumphbögen in der
Gestaltung mit eingebunden.
Empfangsgebäude 1900 bis 1920
Der Jugendstil prägt kurzzeitig durch die Verwendung von Eisen, Stahl und Glas
die Architektur der Bahnhöfe. Der Stil steht für den Übergang von Historismus und
Moderne. Das Handwerk verlor seine dominante Rolle zugunsten massenhafter und
billiger Industriefertigung. Die zum Teil mit aufwendigen Verzierungen der
Fassaden sollte das hochwertige Kunsthandwerk lebendig halten. Die Architekten
legten Wert auf die Dekoration von Flächen und elegante Rahmen. Bei den
meisten Bahnhofsbauten wurde aus ökonomischen Gründen nur die Fassade durch
Ornamente verziert.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden neue Empfangsgebäude wesentlich sparsamer
ausgeführt. Der dekorlose Stil von Bauhaus prägte die Architektur bei Neubauten.
Viele Bahnhöfe wurden durch Anbauten ergänzt, um den wachsenden
Anforderungen gerecht zu werden. Kleinere Bahnstationen wurden oft zweistöckig in der für die Gegend typischen Bauweise
hergestellt. Im oberen Stockwerk lebte auch der Bahnhofsvorsteher mit seiner Familie. Bei größeren Empfangsgebäuden wurden die
Stationsgebäude häufig asymmetrisch angeordnet und die Stockwerksanzahl erhöht. Typisches Beispiel eines solchen Bahnhofs ist
Frankfurt (Oder).
Empfangsgebäude 1920 bis 1936
In dieser Zeit wurden die Gebäude zunehmend im Stil der „neuen Sachlichkeit“
entworfen. Die meisten Stationsgebäude in diesem Baustil wurden für die Berliner
S-Bahn gebaut. Ein gutes Beispiel ist Empfangsgebäude und die Stellwerke von
Berlin-Wannsee. Es gibt aber Stationsgebäude, die außerhalb der Hauptstadt im
ähnlichen Baustil entstanden sind. Da wären die Bahnhöfe im Ostseebad
Kühlungsborn, aber auch in der Eifel die Station Scheven. Nach 1932 wurde der
"Internationale Baustil" wie der Duisburger oder Düsseldorfer Hauptbahnhof noch
heute zeigen, favorisiert.
Empfangsgebäude 1945 bis 1969
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren viele Bahnhöfe total zerstört und mussten
komplett neu aufgebaut werden. Dem Zeitgeist entsprechend wurden viel Glas
und Beton für die geschwungenen Stahlbetondächer verwendet. Der Nierentisch
steht für diese Zeit. Dieser Baustil zeigt sich im Hauptbahnhof Bochum oder
Pforzheim noch heute. Dienstwohnungen wurden nicht mehr in das
Bahnhofsgebäude integriert. Die Eingangshalle war hell und auch in kleinen
Bahnhöfen der größte Raum des Gebäudes. Die Empfangsgebäude wurden
einfacher gebaut. Bis Ende der 1950er Jahre waren Walmdächer kombiniert mit
Pfeilerreihen das prägende Gestaltungsmittel. Ab Anfang 1960 wurde die
Schalterhalle zum herausragenden Erkennungsmerkmal eines neu gebauten
Empfangsgebäudes.
Aus Kostengründen wurden die zerstörten Bahnhöfe der Klein- und Mittelstädte meist nur instand gesetzt. Sie ähnelten eher
Wohnhäusern.
Empfangsgebäude Ende 1960er Jahre bis 1979
Gegen Ende der sechziger Jahre setzte sich der kleine Pavillon durch. Alte
Stationsgebäude sollten durch Neue, einfache und kostengünstige Gebäude ersetzt
werden. Charakteristisch für diese Bauten ist das wulstige Flachdach. Typisch für
diese Bauweise ist der Bahnhof Troisdorf und Dormagen. In den neuen
Stationsgebäuden gab es nur noch die kleine Schalterhalle mit wenigen
Büroräumen, Kiosk oder Gaststättenbereich. Dies Bauweise wurde der Beginn einer
Auflösung der Fahrkartenschalter hin zum offenen Durchgang, wie er heute
überwiegend gebaut wird.
Empfangsgebäude ab 2000
Multifunktionaler Wartepavillon heißt heute das Zauberwort für den modernen
Kleinbahnhof bzw. Haltepunkt. Genormt und sachlich sieht man ihn neuerdings
auch als Wartehäuschen auf den Bahnsteigen älterer Bahnhöfe. Wie mit ein paar
Bausteinen zusammengesteckt. So ein
Wartepavillon kann auch schon mal
größer ausfallen. Ausgestattet sind die
Pavillons mit Fahrausweisautomat,
Entwerter, Abfallbehälter, Aschenbecher,
hohe Beleuchtungsstärke,
Dämmerdungssensor, 360°Spiegel im
roten Turm, Notruf (integriert) und
Briefkasten. Die Komfortausstattung
besitzt zusätzlich Infrarot-Heizstrahler im Wartebereich, Fußbodenheizung und
Sitzheizung.
Empfangsgebäude 2020
Es gibt das neue Empfangsgebäude. Das Gebäude aus Glas und Aluminium zeigt das
alte Bahnhofsgebäude in moderner Form. Hier fehlt nichts. Der Turm stellt das alte
Stellwerk dar, der Anbau mit Eingangsgiebel und Seitenflügeln repräsentiert das alte
Stationsgebäude und ein separates, öffentliches Toilettengebäude fehlt ebenfalls
nicht.
Wieder was gelernt
In der Zeit von 1835 bis 1850 wurden
3,5% des Eisenbahnnetzes gebaut.
Von 1850 bis 1900 entstanden 63,5% der
Eisenbahnstrecken
Von 1900 bis 1930 wurden die restlichen
33% fertiggestellt.
Damit war die größte Ausdehnung des
Deutschen Eisenbahnnetzen erreicht.
Heute ist das Streckennetz deutlich
geschrumpft.
Baustile der Empfangsgebäude im Laufe der Epochen
Bochum Hbf 1957
DB Pluspunkt
Schötmar
Baustile