Baurichtlinien der Großherzoglich Badischen Staatseisenbahnen
Von 1840 bis 1844 baute die Badische Staatsbahn in jedem Bahnhof ein „Hauptdienstgebäude“ (in Baden
entsprach das einem Empfangsgebäude) ohne einen Güterschuppen. Für die Bahnhochbauten war der Architekt
Professor Friedrich Eisenlohr zuständig. Die Betriebsgebäude waren reine Zweckbauten. Ihre Umfassung aus
Mauerziegeln wurden durch dauerhafte Sockel, Gesimse, Türen- und Festerfassungen farbig gegliedert und aus
Sandstein hergestellt. Die Dächer waren aus Schiefer gedeckt.
Eisenlohr befasste sich unter anderem mit Bahnsteighallen, die spezielle Verankerungen im Mauerwerk
benötigten. Zeittypisch waren die Ornamente der Hallendachgiebel, die ähnlich eines Laubsägeschnitts gefertigt
wurden. Die Enden der Hängesäulen waren geschnitzt. Damals baute man eine Bahnsteighalle noch weitgehend
aus Holz. Der Rauchabzug erfolgte über Oberlichter.
Seine Grundrisse waren immer klar gegliedert. Die Gebäude waren im schlichten klassizistischen Baustil
entworfen, hatten aber ornamentale Elemente. Schlichte Rundbogenfenster baute man im Erdgeschoss, im
Obergeschoss rechteckige Doppelfenster. Für die unverputzten Fassaden verwendete man roten Neckar-
Sandstein.
Fast alle Strecken in der Frühzeit
begannen und endeten in einem
Kopfbahnhof. Diese plante Eisenlohr
immer ähnlich. Die Eingangsmitte des
Empfangsgebäudes hatte eine Vorhalle
und war immer dreigliedrig. Es hatte
einen schmalen Mittelresalitgiebel und
das obligatorische Uhrentürmchen mittig
auf dem Gebäudedach. Friedrich
Eisenlohr hat übrigens die „Bahnhäusle“
Uhr entworfen, das Urbild der
weltbekannten Kuckucksuhr. Auf der
Gleisseite des Dienstgebäudes waren die
Seitenflügel beiderseits vorgezogen und
mit einem Vorhallendach verbunden. Dahinter befand sich die Bahnsteighalle.
Die Badische Staatsbahn unterschied zwischen „Haltestation“ und „Haltepunkt“. Diese Bezeichnungen haben
nichts mit der heute verwendeten Bezeichnung Haltepunkt (Hp) zu tun. „Haltestationen“ waren kleine Bahnhöfe
mit mehreren Gleisen, wohingegen der „Haltepunkt“ nur zum Ein- oder Aussteigen der Reisenden diente.
Es galten ab 1855 folgende Bauempfehlungen für „Haltstationen“:
Die Anlagen sollen möglichst einfach gehalten und auf das Notwendigste beschränkt sein. Das Dienstgebäude
bestand aus Wartezimmer für die Reisenden (15 bis 30 qm), Billettausgabe (13,5 bis 18 qm), Wohnzimmer,
Magazin, Küche, Vorplatz, Stiegenhaus und Abort mit Vordach und bedecktem Trottoir (heute Bürgersteig). Der
Bahnwärter oder eines seiner Familienmitglieder besorgt den
Billettverkauf. Im Außenbereich wurden unbedeckte Trottoirs,
Brunnen, Signalglocke, Freiaborte für die Reisenden,
Gartenanlage, Viehverladeplatz und Wendeplatz angelegt. Die
Stellung des Gebäudes musste mit einem gewöhnlichen Fuhrwerk
erreichbar sein und eine Wendemöglichkeit bieten. Die
Reisenden sollten bequem und ohne Gefahr von Wartzimmer
(Wartesaal) zu den Eisenbahnzügen gelangen. Die Bahnsteigkante
sollte 18 bis 24 cm über dem Schienenniveau und der Bahnsteig
1,8 bis 2,4 Meter breit sein. Die Länge des Bahnsteigs sollte 100
bis 120 Meter betragen. Die Gleise vor dem Anhaltspunkt sollten
mindestens 300 Meter horizontal verlaufen und keine großen
Krümmungen oder ein Gefälle aufweisen.
Der Haltepunkt und das „Bahnwartshaus“ hatten dieselben
Bauvorgaben, wobei der Haltepunkt entsprechend den betrieblichen Gegebenheiten erweitert wurde. Ein
„Bahnwartshaus“ entsprach dem Bahnwärterhaus. Das „Bahnwartshaus“ gab es in drei Klassen. Die dritte Klasse
war für einen verheirateten Bahnwart. Der Grundriss war verlängert und der Dachstock erhöht. Dadurch war
Platz für die Doppelfunktion als Empfangs- und Wohngebäude gewonnen. Seitliche Anbauten unterlagen keiner
speziellen Vorschrift. Die Gebäude
wurden zum Unterschied vom
„Bahnwartshaus“ mit dem Giebel zum
Bahnsteig gebaut, wo der Balkon der
Dienstwohnung im Dachgeschoss den
Ausgang des Warteraums überdachte. So
verfügten die Reisenden über einen
Wetterschutz. Der Haupteingang war an
der Gebäudeseite durch eine Vorlaube
bedeckt angebracht. Auch hier erhielten
die Gebäude die typische laubsägeartige
Schnitzarbeit aus Holz an Giebeln,
Balkonbrüstungen und Hausecken.
Zur Sicherung des Bahnbetriebs mussten
diese Bahnhochbauten kostengünstig
und sparsam gebaut werden. So
benötigte die Badische Staatsbahn
allein zwischen Mannheim und Basel 270
Bahnwartshäuser. Wohnte der
Bahnwärter mit seiner Familie weniger
als 15 Gehminuten entfernt, besaß das
Gebäude nur einen Dienstraum für den
Wärter. Dieser musste einen 1050 Meter langen Streckenabschnitt überwachen. Die Größe des Bahnwartshauses
wurde wie folgt beschrieben:
1.
Für einen ledigen Wärter genügt ein Gebäude mit einem beheizbaren Zimmer, einem kleinen Geräteraum
und einen Abort.
2.
Für einen verheirateten Wärter genügt ein Gebäude mit zwei Zimmern, einer Küche, eine
Geschirrkammer, ein Abort, ein Keller und einen Speiseraum.
Jedes Gebäude sollte einen kleinen Garten und einen Brunnen besitzen. Als Baumaterial konnte, je nach
örtlichen Verhältnissen und Materialpreisen, entweder Holz oder Stein verarbeitet werden. Das Bahnwartshaus
musste einen Mindestabstand von 4,5 Metern vom Rand des Bahndamms haben.
Badische Staatseisenbahn