Die Bahngesellschaften, meistens als
Aktiengesellschaft gegründet,
zeigten mit der Architektur der
Eisenbahnstationen Größe. Man war
sich deren Bedeutung bewusst. Erst
später wichen die kostspieligen
Empfangsgebäude einer gewissen
Versachlichung und Normierung. Die
Durchgangsbahnhöfe an den ersten
Eisenbahnstrecken wurden meist
provisorisch aus Holz gebaut und
glichen eher einem bäuerlichen
Gehöft. Erst mit der Verdichtung des Verkehrs wurden die Empfangsgebäude
repräsentativ mit Steinen gemauert. Vergleichbar ist der damalige Zustand mit unseren
heutigen Baucontainern, die für die Zeit der Bauarbeiten vor dem Empfangsgebäude
aufgestellt werden. Die Endbahnhöfe wurden häufig als Kopfbahnhof ausgeführt, und
schon während des Streckenbaus als massives Gebäude errichtet.
Die Vorgänger der Bahnhöfe waren
Posthöfe, wo Pferde getränkt oder
gewechselt wurden, die Passagiere
eine Pause machten oder
übernachten konnten und wo die
Post umgeladen wurde. In der
Pionierzeit der neuen Technik
Eisenbahn war der Unterschied
zwischen den beiden Einrichtungen
nicht sonderlich groß. Zur Gründerzeit der Eisenbahn waren Werkstätten, die
an den Eisenbahnstrecken gelegen waren und die die noch recht störanfälligen Eisenbahnfahrzeuge reparieren konnten, nicht
verfügbar. Die Eisenbahn musste alles selber machen können. Alle Bahnhöfe der Gründerzeit ähnelten sich. Auf dem "Hof für die
Bahn" = Bahnhof waren das Empfangsgebäude, Güter-, Lokomotiv- und Wagenschuppen, Werkstatt, Bekohlungsanlage,
Wasserstation, Ladestraße und Wiegeeinrichtung. Für eine Grenzstation kam noch eine Zollabfertigung hinzu. Das ganze Areal war
meist mit einem Zaun umfriedet.
Später "umkreisten" Kopfbahnhöfe die Städte, die untereinander oft keine Verbindung
besaßen. Der Reisende musste beim Umsteigen von einer Bahngesellschaft zur nächsten die
Kutsche nehmen oder zu Fuß gehen. Die Stationen, wie die Bahnhöfe früher hießen, wurden
in den ersten Jahren aus Holz gebaut. Hier wurde "haltgemacht", um Maschinen und Material
zu prüfen, Wasser und Kohle aufzunehmen. Die Reisenden konnten in der Zwischenzeit in der
Bahnhofsgaststätte eine Mahlzeit zu sich nehmen. Zu- und Ankunftsbereiche für die
Reisenden wurden meist räumlich getrennt, um einen reibungslosen Fahrgaststrom zu
gewährleisten. Damals wurde noch zwischen Gepäckannahme- und Gepäckausgabeschalter
unterschieden. Da es bis zu vier Fahrgastklassen gab, mussten auch die Warteräume der
Passagiere entsprechend getrennt werden.
Für die umfangreichen Bahnanlagen der
großen Städte gab es noch keine
Vorbilder. Aufgrund des großen
Raumbedarfs des Bahnhofs wurden sie
vor den Toren der Städte gebaut. Viele
Städte hatten noch Stadtmauern mit
Stadttoren und Mauertürmen. Städte, die vom Militär aus strategischen
Gründen zur Festung erklärt wurden, hatten es besonders schwer einen
Eisenbahnanschluss zu bekommen. So durften keine Brücken über den Rhein
gebaut werden, was für die wirtschaftliche Entwicklung gravierende
Auswirkungen hatte. Das Militär duldete keine künstlichen Bauwerke, die über den Rhein führten. Auch die
Eisenbahngesellschaften konnten hier keine Sondergenehmigung erhalten. Es blieb also nur der Fährbetrieb als Alternative. Die
Brücke von Köln nach Deutz, erst Jahre später gebaut (1859), musste ein Trajektbetrieb (alte Bezeichnung für Eisenbahnfähre) für
die Überquerung des Rheins übernehmen.
Da die Stationen häufig sehr weit außerhalb der
Stadt angelegt wurden, mussten Straßen von der
Stadt zum Bahnhof neu gebaut werden. Später
wurden daraus oft die Bahnhofstraße, die es
heute noch in jeder Stadt gibt, die einen Bahnhof
besaß. Die Bahnhofstraße führte immer direkt
zum Empfangsgebäude. Selbst kleine Städte
forderten den Bau eines repräsentatives
Empfangsgebäude, das manchmal konträr zur
Stadtgröße war.
Wieder was gelernt
Die historischen Angaben basieren
auf dem Atlas der Eisenbahnen
des Deutschen Reiches von 1886,
dem Handbuch der deutschen
Eisenbahnstrecken von 1935 und
dem amtlichen
Bahnhofsverzeichnis von 1938. Die
historischen Abbildungen stammen
von Ansichtskarten, Lithografien
oder Stichen des 19. Jahrhunderts.
Für viele Empfangsgebäude gibt es
häufig keine genauen
Eröffnungsdaten, zumal die Bauzeit
sich bei großen Gebäuden über
mehrere Jahre hinzog. Mit der
Eröffnung der Strecke gab es aber
sicher ein (wenn auch
provisorisches) Empfangsgebäude.
In diesen Fällen dienen die Daten
der Inbetriebnahme einer Strecke
als Anhaltspunkt für die Eröffnung
des Bahnhofs.
Das Empfangsgebäude und seine Einrichtungen
Empfangsgebäude